Berlin (dpa-infocom) – Nach vier Jahren PR-Rummel bringt Porsche endlich sein erstes Elektromodell auf den Markt. Vom Jahreswechsel an soll der Taycan als bislang einziger Konkurrent dem Model S vom elektrischen Premium-Pionier Tesla die Stirn bieten und zugleich beweisen, dass Sportwagen eine Zukunft haben.
Dafür muss man allerdings tief in die Tasche greifen: Weil Porsche erst einmal nur mit den stärksten Modellen startet, beginnen die Preise zur Markteinführung bei 152.136 Euro. Und auch wenn später ein paar abgespeckte Varianten folgen werden, wird der Taycan nur knapp unter die Marke von 100.000 Euro fallen.
Neue Ära, alte Werte
Zwar will Porsche mit dem Taycan in eine neue Zeit aufbrechen. Doch seine traditionellen Werte sollen dabei nicht verloren gehen. Deshalb setzt der Autobauer auf eine nahezu konkurrenzlose Fahrdynamik. Im Top-Modell mit dem irgendwie aus der Zeit gefallenen Typenkürzel Turbo S leisten die zwei Elektromotoren an den beiden Achsen kurzfristig bis zu 560 kW/761 PS und bewegen die breiten Reifen mit maximal 1050 Nm. Obwohl der Taycan 2,3 Tonnen wiegt, beschleunigt er besser als ein 911 und ist im besten Fall in 2,8 Sekunden auf Tempo 100. Wer den rechten Fuß stehen lässt, fährt den meisten elektrischen Konkurrenten davon. Denn während Mercedes den EQC oder Audi den E-Tron spätestens bei 200 km/h abregeln, lässt Porsche den Taycan bis 260 km/h fahren. Selbst ein Tesla geht nach ein paar Sprints in den Notlauf, doch der Taycan liefert seine Leistung, solange Strom im Akku ist.
Auch wenn der Taycan einem Elfer ebenbürtig ist, fühlt sich die Raserei seltsam unwirklich an. Mit einer für Akkuautos ungewöhnlich tiefen Sitzposition und dem wie üblich extrem tiefen Schwerpunkt ist die Straßenlage spektakulär. Und dank der flexiblen Drehmomentverteilung zwischen den Achsen, des adaptiven Fahrwerks und der Hinterradlenkung schneidet der Taycan durch die Kurven wie ein Rennwagen. Aber der Soundgenerator kann nicht den kraftvollen Klang eines Boxermototors mit Sportauspuff ersetzen. Von seinen Vibrationen und dem Geruch ganz zu schweigen. Die völlige Ruhe beim Rasen fühlt sich im Taycan daher irgendwie steril an.
Neue Standards beim Laden und im Cockpit
Aber der Taycan fährt nicht nur schnell, er braucht auch an der Ladesäule weniger Zeit als die Konkurrenz. Weil er auf ein 800-Volt-Netz setzt, kann man seinen Akku binnen weniger als 25 Minuten von 5 auf 80 Prozent füllen. Und dabei hat er alles andere als eine kleine Batterie: Die ersten Modelle werden mit 93,4 kWh ausgeliefert, die auf dem Prüfstand für bis zu 450 WLTP-Kilometer reichen. Auch im Praxistest war die Ladung auf einer Überlandfahrt mit vielen Tempolimits nach 300 Kilometern noch nicht verbraucht.
Nicht nur bei der Antriebstechnik, sondern auch beim Design verändert Porsche diesmal einiges. Weniger außen, wo der Taycan mit seinen 4,96 Metern, dem langen Bug, dem knappen Heck und der schlanken Kabine ein bisschen aussieht wie eine Kreuzung aus 911 und Panamera. Aber dafür umso mehr innen. Denn Schalter gibt es fast gar nicht mehr in diesem Porsche, sondern nur noch eine große Landschaft aus Displays und Touchscreens, die erstmals sogar bis vor den Beifahrer reichen. Aus dem Schaltknauf wird ein kleiner Stummel neben dem Lenkrad, und selbst die Lüfterdüsen lassen sich nun elektronisch verstellen. Nur der Startknopf bleibt auch im Cockpit des Taycans erhalten und ist wie immer links vom Lenkrad. Doch während vorn alles neu ist, schauen die Hinterbänkler gleich doppelt in die Röhre. Erstens, weil es im Fond vergleichsweise eng zugeht. Und zweitens, weil sie von der digitalen Revolution weitgehend abgeschnitten sind und etwa ohne Cinemascopé-Bildschirme auskommen müssen.
Fazit: Ein Hero aber kein Heilsbringer
Schnell wie eh und je, nur viel leiser. Innen gibt er sich futuristisch, außen eher klassisch – der Taycan ist tatsächlich Porsche pur und zugleich eine ganz neue Erfahrung. Porsche dürfte mit dem E-Modell nicht nur der eigenen Flotte, sondern auch der Elektromobilität insgesamt neue Impulse geben. Doch auch wenn die Branche ihn als Held des Wandels feiert, wird er weder das Klima retten noch einen nennenswerten Beitrag zur Mobilitätswende leisten. Schließlich bleibt er ein typischer Porsche und eignet sich damit genauso wenig wie der 911 als Massenmodell.
Datenblatt: Porsche Taycan Turbo S
Motor und Antrieb | Zwei permanent erregte Synchron-Maschinen |
Hubraum: | 0 ccm |
Max. Leistung: | 560 kW/761 PS |
Max. Drehmoment: | 1050 Nm |
Antrieb: | Allradantrieb |
Getriebe: | 2Gang- Automatik |
Maße und Gewichte | |
Länge: | 4963 mm |
Breite: | 1966 mm |
Höhe: | 1378 mm |
Radstand: | 2900 mm |
Leergewicht: | 2295 kg |
Zuladung: | k.A. |
Kofferraumvolumen: | 81 (vorn) plus 366 (hinten) Liter |
Fahrdaten: | |
Höchstgeschwindigkeit: | 260 km/h |
Beschleunigung 0-100 km/h: | 2,8 s |
Durchschnittsverbrauch: | 26,9 kWh/100 km |
Reichweite: | 412 km |
Batteriekapazität: | 93,4 kWh |
Kraftstoff: | Strom |
Schadstoffklasse: | k.A. |
Energieeffizienzklasse: | A+ |
Kosten: | |
Basispreis des Porsche Taycan: | ca. 98.000 Euro |
Grundpreis des Porsche Taycan Turbo S: | 185.456 Euro |
Typklassen: | k.A. |
Kfz-Steuer: | 0 Euro/Jahr |
Wichtige Serienausstattung: | |
Sicherheit: | Sechs Airbags, LED-Scheinwerfer, Allradantrieb, automatische Abstandsregelung |
Komfort: | Klimaautomatik, digitales Cockpit, elektrische Heckklappe, Rückfahrkamera |
Spritspartechnik: | Elektroantrieb |
Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke
(dpa)