«Laternenparker» sucht Ladesäule

München – Für 47 Millionen Autofahrer in Deutschland ist das Tanken kein Problem. Bundesweit gibt es gut 140.000 Zapfsäulen, die Spritpreise lassen sich per App vergleichen, einmal Volltanken dauert nur ein paar Minuten. Davon können E-Autofahrer nur träumen.

Zwei Drittel der Deutschen würden ein Elektroauto am liebsten über Nacht zuhause laden, hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einer repräsentativen Umfrage erfahren. Wer eine eigene Garage besitzt, kann sich für 1000 Euro eine Wandbox mit 11 Kilowatt Leistung einbauen lassen und die Batterie in drei, vier Stunden aufladen – fertig. Das Problem ist nur: Zwei Drittel der Deutschen wohnen in Mehrfamilienhäusern. Und sie haben kaum eine Möglichkeit, ein Elektroauto zu Hause zu laden, wie der ADAC herausgefunden hat.

Fortschritte nicht zu erwarten

Der Autoclub befragte Immobilienverwalter in den elf größten deutschen Städten, die zusammen 4815 große Tiefgaragen und Parkflächen verwalten. Ergebnis: Nur zwei Prozent haben zumindest eine Wandbox oder eine Ladesäule. In 96 Prozent der Tiefgaragen aber steht nicht einmal eine gewöhnliche Steckdose zum Laden eines E-Autos zur Verfügung. Und «Fortschritte sind dabei auch kurz- und mittelfristig nicht zu erwarten», heißt es in der ADAC-Studie: «Nur ein Viertel der befragten Unternehmen erwägt in den nächsten drei Jahren die Einrichtung von Lademöglichkeiten.»

Hohe Kosten, technische Probleme und rechtliche Unsicherheiten nannten die Verwalter als Gründe – am häufigsten aber «das nicht geäußerte Interesse seitens der Mieter und Eigentümer». Kein Wunder: In Deutschland sind laut Kraftfahrtbundesamt heute erst rund 120.000 reine Elektroautos und 87.000 Plug-in-Hybride unterwegs. «Zudem ist ein erheblicher Teil der Elektrofahrzeuge derzeit Teil von Firmenflotten, die fast ausschließlich auf dem Betriebsgelände geladen werden», erklärt der Bundesverband Elektromobilität (BEM).

In 85 Prozent aller Fälle würden E-Autos in der Firma oder zuhause geladen, schreiben die von der Bundesregierung eingesetzten Experten der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPZ) in ihrem jüngsten Bericht. Der Staat fördert das Laden in der Firma steuerlich. Für «Laternenparker» – also Autofahrer ohne Garage – dagegen wird es mit einem E-Auto erst mal sehr mühsam.

Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick hat sich die öffentlichen Ladesäulen der großen Anbieter angeschaut und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis. «So wird die Energiewende im Verkehrssektor scheitern», sagte Geschäftsführer Gero Lücking.

Teilweise deutlich teurer als Benzin

Bundesweit rund 9700 Ladesäulen listet die Bundesnetzagentur aktuell auf. Ohne Vertragsbindung koste der Strom deutlich mehr als Haushaltsstrom, kritisierte Lichtblick. Für 100 Kilometer Reichweite kassierten die Betreiber zwischen 7,95 bis 16,36 Euro. «Diese Preise sind schockierend – es ist ein und dasselbe Produkt», sagte Lücking. «Ladestrom ist damit teilweise deutlich teurer als Benzin für die gleiche Reichweite.»

Ein Grund dafür sei, dass sich regionale Stromversorger oft ein Monopol gesichert hätten: «Sie bestimmen in ihren Gebieten Verfügbarkeiten, Preise und Handel – legen ihre ganz eigenen Gesetze fest», sagte Lücking. «Der Verbraucher hat keine Wahlmöglichkeiten – ihm wird etwas vorgesetzt, womit er sich zufrieden geben muss.»

Und wo ein Autofahrer seinen Stromer an der Säule eines anderen Anbieters laden will oder auf Reisen auch muss, wird es kompliziert. An einem Ladepunkt muss sich der Nutzer per SMS anmelden, an anderen geht es nur per App, mit Ladekarte oder mit Vorabregistrierung auf der Internetseite. Der eine rechnet pauschal nach Ladevorgang ab, der andere nach Zeit, der dritte nach geladenem Strom. «Die genaue Preisauskunft bekommt der Verbraucher meist erst zu sehen, wenn er sein E-Auto mit dem Ladepunkt verbindet», kritisiert der Ökostrom-Anbieter: «Ein unwegsamer Tarifdschungel».

Die Regierungsberater von der NPZ sehen das gelassener. Der Staat sollte den Anbietern da Freiheit lassen, «um hier nicht vorschnell Geschäftsmodelle durch etwaige Restriktionen zu verhindern».

Aber «verbraucherfreundlich ist die derzeitige Situation nicht», sagt ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand. «Das Laden eines Elektroautos darf nicht komplizierter sein als es heute das Tanken ist.»

Auch die deutsche Autoindustrie macht Druck. Sie hat inzwischen über 30 E-Modelle im Angebot und muss die Kunden rasch überzeugen. Sonst drohen in zwei Jahren saftige CO2-Strafen der EU. Der Bund müsse den Ausbau koordinieren, im Miet- und Wohnungsgesetz ein «Recht auf Laden» schaffen und auch mehr Fördermittel ausschütten, fordert der Branchenverband VDA. Denn wenn 2030 in Deutschland sieben Millionen E-Autos fahren sollen, dann seien etwa neun Millionen öffentliche und private Ladepunkte notwendig.

Fotocredits: Hendrik Schmidt
(dpa)

(dpa)