Bekifft auf Rezept: Darf man dann ans Steuer?

Goslar – Wer unter schweren chronischen Schmerzen leidet, kann seit März 2017 Cannabis auf Rezept erhalten. Mehr als 13.000 Menschen haben Deutschlands Ärzte die Droge seither verordnet. Wie viele dieser Patienten Auto fahren, ist unbekannt. Sicher ist aber: Sie dürfen ans Steuer.

Denn während andere Cannabis-Konsumenten mit Fahrverbot und Führerscheinentzug rechnen müssen, selbst wenn sie nicht berauscht am Verkehr teilgenommen haben, dürfen Cannabis-Patienten nach derzeitiger Gesetzeslage Auto fahren, wenn sie sich das selbst zutrauen und keine Ausfallerscheinungen haben.

Dabei mache es aus toxikologischer Sicht keinen Unterschied, ob vor Antritt der Fahrt Cannabisblüten aus der Apotheke oder aus dem Coffee Shop geraucht wurden, stellt Prof. Thomas Daldrup fest. Der Forensische Toxikologe vom Uniklinikum Düsseldorf ist einer der Referenten zum Thema «Cannabiskonsum und Fahreignung», über das der 56. Deutsche
Verkehrsgerichtstag (VGT) in Goslar spricht.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) beklagt die Sonderrolle, die Cannabis-Konsumenten im Straßenverkehr zugebilligt werde. Als das Gesetz «Cannabis als Medizin» im Bundestag beraten wurde, sei der Verkehrsausschuss nicht beteiligt gewesen, kritisiert DVR-Sprecherin Julia Fohmann. Straßenverkehrsrechtliche Aspekte spielten bei dem Gesetz denn auch keine Rolle. «Wir bedauern das.»

Dass Cannabis-Patienten die Teilnahme am Straßenverkehr nicht generell verboten ist, sondern von deren eigener Einschätzung ihrer Fahrtüchtigkeit abhängig gemacht wird, sehen Verkehrsexperten als Problem: Autofahrer seien nicht in der Lage, die Wirkung der Drogen verlässlich einzuschätzen, sagt der Sprecher des Automobilclubs AvD, Herbert Engelmohr. Er plädiert für den Grundsatz: «Wer sich hinter das Steuer setzt, muss nüchtern sein.» Das müsse auch für Kranke gelten, bei denen Cannabis als Medizin-Wirkstoff eingesetzt wird.

Unter dem Sicherheitsaspekt dürfe der Grund des Cannabis-Konsums keine Rolle spielen, meint auch Arnold Plickert vom Vorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP). «Entscheidend ist, dass niemand am Straßenverkehr teilnehmen sollte, der nicht voll und ganz fahrtüchtig ist.» Dabei dürfe es keine Rolle spielen, ob die Fahruntüchtigkeit durch eine legale oder eine illegale Substanz herbeigeführt wurde.

Ähnlich sieht es der ADAC: «Der Schutz der Verkehrsteilnehmer lässt keine Experimente zu.» Doch solle geklärt werden, welche Auswirkungen eine ordnungsgemäße Einnahme von Cannabis auf das Fahrverhalten hat.

Der Deutsche Anwalt Verein (DAV) fordert, ärztlich verordnetes Cannabis zu behandeln wie andere Medikamente. «Wenn aus medizinischer Sicht trotz Einnahme von Cannabis nichts gegen eine Fahreignung spricht, spricht auch nichts dafür, an der Fahreignung zu zweifeln», sagt DAV-Sprecher Swen Walentowski. Cannabis-Patienten sollte die Teilnahme am Straßenverkehr nicht generell verboten werden. So sieht es auch der Autoclub ACE. Wer Cannabis auf Rezept bekomme, müsse nicht vom Straßenverkehr ausgeschlossen werden, sagt eine Sprecherin.

Die Unfallforscher der Deutschen Versicherer (UDV) weisen dagegen darauf hin, dass es keinen Unterschied mache, ob jemand privat oder auf Rezept kifft. Dass die Verschreibungs-Höchstmenge (100 Gramm Blüten für 30 Tage) für 30 Joints pro Tag ausreiche, öffne zudem dem Missbrauch Tor und Tür. Es wäre im Sinne der Verkehrssicherheit, wenn Ärzte bei der Verschreibung nennenswerter Mengen Cannabis, die bei einem entsprechenden Gebrauch die Fahreignung einschränken könnten, die Fahrerlaubnisbehörde informieren müssten.

Auch VGT-Präsident Kay Nehm sieht Lücken im Gesetz: «Wenn Personen ärztlich verordnetes Cannabis bestimmungsgemäß einnehmen, kann nach geltendem Recht kein Bußgeld verhängt werden.» Sie könnten nur bestraft werden, falls sie einen auf Cannabis-Einfluss beruhenden Fahrfehler begehen: «Was der Gesetzgeber da zugelassen hat, berücksichtigt überhaupt nicht die Sicherheit des Straßenverkehrs.»

Die Experten wollen in Goslar auch der Frage nachgehen, ab welchem Wert bei illegalem Cannabis-Konsum von einer fehlenden Eignung zum Fahren auszugehen ist. Verwaltungsgerichte waren sich nicht einig.

Vor Beginn des Kongresses meldete sich auch der Deutsche Hanfverband zu Wort. Er findet es diskriminierend, dass Cannabis-Konsumenten anders als Alkohol-Konsumenten – ihren Führerschein auch dann verlieren können, wenn sie nie berauscht Auto gefahren sind.

Fotocredits: Uwe Zucchi
(dpa)

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